Was ist Neinerlaa?

Halali-Bericht von Wieland Kundisch

Finsterwald. Feucht ist er auch. Wir tauchen in ihn ein. Treffen auf einen Engel an Krücken und andere Gestalten in fröhlichen Gewändern. Des Engels Jüngster verkleidete sich als Frau. Sie entwässern einen Sumpf. Sisyphusmäßig. Der Eimer wird, sobald voll, wieder ausgekippt. Es geht um Zeit. Das Sumpfwasser gleicht nicht gerade Semmelmilch, für die diese Aufgabe steht. Klingt skurril? Ist skurril! Das Halali der Chemnitzer, seit einigen Jahren auch Lengefelder OLer. "Halali" kündigt das Ende einer Jagdsaison an.
Am Forsthaus hatten sich unter etlichen anderen Batman und der Teufel zusammengerottet. Teufeline. Er war eine Frau, vielleicht war es auch die Frau des Teufels. Für seine Großmutter war sie jedenfalls zu jung. Sie bot mir Halali-Unkundigen einen gescheckten Mäuseschwanz an. Und Mäuseohren. Kein Bedarf, ich fühlte mich graumäuschen genug.
Vor der Startpasskontrolle ging nix bzw. vielmehr niemand los. Herr Knitsch zog seinen Gesundheitspass oder was aus der Tasche und legte ihn Startzieluhrmann Jörg Hänsel vor. Seit 1990 kein Eintrag. Ich konnte nicht einmal keinen Eintrag nachweisen. 50 OLer waren der untodernsten Einladung zum Lengefelder Neinerlaa Halali 2015 (sporttechnisch: "SPOL - Spaß-OL") gefolgt. Veranstalter: Die Miriquidatoren, Gesamtleiter: 's graue Mannl. Bis zu knapp 70 wären ihr gerne gefolgt, aber manche humpeln echt und ohne Flügel. Gute Genesung, Nobbi!

Als wir, "Team Auto", als O-Wandersleute verkleidet, mit der ältesten Tochter (samt Prinz) der Lengefelder OL-Königin - die zwischen dem All und dem Tag noch reichlich Karten erstellt, Zauberei! - als wir also nun an der Reihe sind, Wasser aus Schlamm zu schöpfen, nähert sich ein Wolf, gut, ein Hund, eine Hündin. Sie hüpft am wildesten herum. Die Kinderschar hinter ihr sieht und hört sich die erste Aufgabe gleich mit an. Erwachsene, wie Postmann Leibi, begleiten den Tross.
Nachdem Kaufmann Torsten und ich geschaufelt hatten - keine Bestzeiten - zieht unser kleiner Trupp weiter bergauf. Senkrecht. Zu den Höhenlinien. Voll die Schatzkarte mit Windrose, wie hat die Königin das bloß gemacht, so ortho... ordentlich schummrig? Werden so die Karten der Team-OL 2016 aussehen? Das fragte sich an dem Nachmittag besonders DM-Staffel-Bahnleger Torsten.
Die Engel-Gruppe vor uns macht den Baum noch markanter. Bräuer Dennis hat kein Bier für uns. Dafür Wildschweinfutter. Kastanien und Eicheln. Wir wühlen wie die Ferkel im Laub nach ihnen, um sie in einen Sack zu werfen. Erneut geht es nach Zeit. Und um Gewicht. Da hätten wir viel gepunktet. Hätte Dennis nicht den Schwindel des Prinzen aufgedeckt. Eine versteinerte Kokosnuss, nu klor! Er kippt den Sack wird aus. War ja klor! Für die Kinder - und Leibi. Die uns auf den Fersen sind.
Wir ziehen weiter quer, Torsten nutzt Wegstücke. Zum ersten Meiler. Da steht sie, die Königin, bürgerlich Hanka Straube genannt. Sie verbindet ihrer Tochter die Augen und lässt diese erst eine Furche ziehen und dann Samen darin aussäen. "Blind sehen." Mit durch den Bornwald schallenden Rufen der Begleiter tut sie es einigermaßen gerade und kongruent. Rechtsdrall. Immer wieder Rechtsdrall. Wie beim Kompasslauf. Nu jo. Passt scho. Diese Wertung bleibt der Königin Geheimnis.
Am zweiten Meiler steht ein Grillgestell, mehr Gestell als Grill. Der Förster bzw. sogar Revierleiter serviert Holzbockwürste, Aststückchen in großer Mundformgröße. Sie scheinen schon ganz heiß. Ist nur rote Farbe. Und dreht man sie, werden sie grün. Sowas. Unser Prinz dreht sie nach Regeln zwar mit Zange, dennoch sehr rasant. Kaum einer war schneller.
Dann mit Kompass und Schritten quer, zu einer Senke. Die mutet mit goldenem Stroh ausdrapiert gemütlich an. Da wirkt man beim darin Wühlen nicht gar so schweinisch. Hannah Hänsel ist nicht allein im Wald. Der Strom zur Strohstelle reißt nicht ab. Und sie hat Schnaps und Pralinen, äh, Bären, Goldbären. Nicht für sich. Für uns. Die müssen wir allerdings erst finden - im Stroh. Und auch sie hat wieder so ein modernes Kleinzeitmessgerät im smartphone-i-pad-Format. Okay, okay, die Sonne fehlt ja. Zur Zeitabschätzung. Bevor wir drankommen und uns stärken - ich habe inzwischen einen Bärenhunger, jeder Posten symbolisiert auf der Kartenrückseite mindestens eine Speise - jedenfalls renne ich zur Körpererwärmung mal kurz rum. Um ein paar vom Bergbau unangetastete Felsen des Erzgebirges. Die in der näheren Nähe. Der Prinz und ich werden schnell fündig, ich bekomme meine Bären und Torsten einen flüssigen Hauch von Kräutergeistern.
Unser Höhesparen verbindet sich mit dichter Fichtenquerung bis Kinderhöhe. Oberhalb des Weißen Ofens Posten 6 ohne Personal. Warum weiß, weiß mir erst die Königstochter ausreichend zu klären: Kalk - den holten sie da früher aus dem Berg. Schon der Schluchteingang ist krass tief. Das Schluchzen des Berges vielleicht so tief und alt, dass es kaum einer mehr vernimmt. Na immerhin brachte der Bergstollen den Weihnachtsstollen hervor. Und den Schwibbbogen (auch Lichterbogen).
Linsen sollen wir zählen! Ich bin doch kein Erbsen(er)zähler! Gut, schätzen reicht. Aber möglichst genau. Jeder im Team für sich. Ich bin mir spontan sicher: das sind viele Linsen im Glas. Sehr viele. Hunderte. Wenn nicht gar ... Mehr als ich denke, wenn ich weniger schätze, als es sind. Schließlich fehlte mir nur eine Null zum Schätzsieg. Statt 900nochwas sind es über 9000.
Meine Route geht wieder quer, da sind Felsen, muss ich mir anschauen. Am Hochstand warten Dennis' Eltern. Und mit ihnen zwei Schlammschüsseln. Batman wirft seinen Schlammkloß gerade ins Aus, in den Wald hinein. Vorbei an der Holzschildgans am Baum und auch am Nachbarbaumgansbratenkinderschild vorbei. Nicht mal halb daneben, gans halt. Die Königstochter schlottert: Ich treffe die Gans vor lauter Wildnis nicht. Ich bekunde ihr eine gute Einstellung: So klappt das. Andersherum aber auch! Vielleicht. Zumindest einmal. Beim ersten Mal. Immerhin. Zwar dämpfen die Schlammkloßformungen den Appetit, den Hunger vertreiben sie allerdings nicht.
Wir trippeln die Liftschneise neben dem Skihang hinab. (Wer fordert Hannah da hoch mal zum Bergsprint heraus?) Ein Feuer, am See, Fische darin so weiß wie Schnee und wenn den Angelruten (ganz klar aus Norwegen, keine Frage bei der abendlichen Erwähnung) am Haken schon der Wurm fehlt, so wenigstens nicht den Fischen eine Öse. Die Königstochter beweist nun schlotterfreie Hände und Geschick, angelt ganze 5 Stück (keine halben Sachen!) in 2min. Da sage mal einer, Angeln sei kein Leistungssport!
Wir müssen ein letztes Mal bergan, 10 Hm. Es dämmert schon, gar außerhalb des Waldes. Grit und Flora Hänsel empfangen uns an einer Waldecke. Der Geist der DBK Ultralang 2014 grüßt aus der nahen Vergangenheit. Da war doch Massenstart. Mengenstart, korrigiere ich spitzohrig Torsten.
Das sieht doch aus wie ein Labyrinth. Ist es auch, aber klein und wirklich nur ein Labyrinth, nix zum Verirren. Ohne Karte durchlaufbar, aber mit natürlichen Waldhindernissen. Batman verschüttet gerade noch vom Löffel ein paar Heidelbeeren. Aus Holz. Wie die Würste. Wir sind an der Reihe. (Koboldine Flora flüstert den Batmans/Fledermäusen noch eine letzte Rechenaufgabe zu.) 14 Sekunden sind zu unterbieten. Startläufer Tomi legte sie vor. Er war schon längst kein Halali-Unerfahrener mehr und nahm einkapuziert selbst den langen Marsch im Matschregen vom Bahnhof zum Forsthaus gerne auf sich, um mit seiner Familie (fraulicherseits) den SPOL als Erster anzutreten. Sophie Kääriäinens Vater Nico Kümmling erzählte dann in der Kneipe von Halalis aus Urzeiten. 80er-Jahre.
Torsten und ich schafften den Blaubeerlöffellauf in 16 Sekunden, ohne eine zu verlieren. Und komplettierten damit diese letzte Disziplin TU-dominiert. Der Prinz stolperte - kein OLer halt - und verlor alle 9 Beeren. - 9 Strafsekunden.

Bis auf den Zielsprint ehrten Jörg - nach seinen Worten muss ja einer den Herold spielen - und Vater Steinert zu späterer Stunde alles und beinahe jeden. Mit riesigen Preisen wie "Schlossbesichtigung", was zu gewaltigen Lachern führte, als dem Geehrten das begehrte Vorhängeschloss vor der Nase baumelnd wieder entzogen wurde. Der Haupt- und Wanderpreis aber wurde schon vor dem Festmahl angekündigt und Jörg wollte ihn gleich aller Ergebnisstatistiken nach Dresden entführt wissen, zu Unterstützern des noch relativ jungen OL-Vereins SV Lengefeld - damit wir wiederkommen. Zum Halali. So richtig begierig waren wir aber nicht auf ihn, auch wenn die etwa 12 Jahre gammlige Milchpackung gerade mit einer frischen ausgetauscht worden war. Mit OL-Posten-Verzierung darauf. Wer würde sie in der hintersten, dunkelsten Ecke seines Kellers verstecken?
Beim letzten Warten aufs Neunerlei (mittelerzgebirgisch Neinerlaa), einem traditionellen 9-Gänge-Weihnachtsmenü - einige schienen mehr als 9-mal ans warme Buffet zu gehen - spielten wir mit Otto "Hase ärgere dich nicht" oder so ähnlich. Und gab uns Leibi den Tipp zur "Der bewegte Posten"-Karte. Aber das ist die nächste Geschichte ... vorher erzählt.
Der Anblick des Neunerlei ließ dann den Magen auf Körpergröße wachsen. Torstens Muskelkater vom Donnerstagskraftkreis löste sich mit Bauchdehnung ab. Diese Tafel. Der Gastwirt Frenzel machte sich mit seiner Crew 50 weitere Fans. Die 15 Veranstalter waren es wohl schon. Danke euch allen!
Und wer bekam nun die Wandermilch? Post-Leibi. Die Ersten sind halt nicht immer die Gewinner.

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Wielands Halali-Fotoalbum